Gute Weine und ein spannender Krimi – eine gelungene Kombination (November 2009)
Andreas Wagner aus Essenheim ist einen Winzer mit einem nicht ganz alltäglichen Hobby: Er schreibt Krimis. Seine Sujets sucht er sich dabei in der Welt der Winzer, denn dort kennt er sich aus, muss also nicht erst lange recherchieren.
Während der erste Wein in den Gläsern war, ein trockener Silvaner von 2008, erzählte Wagner etwas über seinen Heimatort im Tal der Selz, über den eigenen Betrieb, der seit über 300 Jahren in Familienhand ist und derzeit etwa 11 Hektar umfasst, wegen der in ihrer Gegend üblichen Realteilung aber lange ein Gemischtbetrieb war, und über sich, nämlich dass er nach dem Abitur 1993 und dem Zivildienst erst mal von zu Hause weg wollte, dass er deshalb nach Leipzig gegangen war – so ziemlich die weiteste Entfernung, die in Deutschland möglich war –, um dort Geschichte zu studieren, und dass er nach einigen Jahren Forschungstätigkeit an der Uni doch wieder nach Hause fand und vor sechs Jahren gemeinsam mit seinem Bruder das elterliche Weingut übernommen hat.
Die Lesung begann er dann unerwartet nicht mit einem eigenen Text, sondern mit einer kurzen Passage von Arno Schmidt, der sich dort – allerdings nicht sehr freundlich – über das rheinhessische Hügelland ausließ.
Die nächsten beiden Weine, zwei Weißburgunder von 2008 aus der gleichen Pressung, wurden parallel verkostet: Der eine kam aus dem Stahltank, der andere aus einem gebrauchten Barriquefass. Der eine war also kühl und sauerstoffarm vergoren, der andere war dem Sauerstoffeinfluss ausgesetzt, hatte einen biologischen Säureabbau durchlaufen und war die ganzen sechs Monate auf der Hefe geblieben. Der Unterschied im Geschmack war erstaunlich, was nur unterstreicht, wie viele Parameter den Weingeschmack beeinflussen. Den Namen „Jean“, den beide Weine führten, – so erklärte Andreas Wagner – geben sie ihren Selektionsweinen und erinnern damit an ihren Urgroßvater Johann. Für Selektionsweine machen sie zwei grüne Lesen, was den Ertrag auf etwa 50% reduziert, und entblättern die Rebstöcke auf der Schattenseite, um den Trauben möglichst viel Licht zukommen zu lassen. Das Porträt einer alten Frau, das als Logo des Weinguts dient, zeigt die Urgroßmutter des Urgroßvaters, geht also noch weiter in die Familiengeschichte zurück.
Während die Weine verkostet wurden, las Wagner aus den ersten Seiten seines dritten Romans, Gebrannt, vor, in dessen Mittelpunkt wieder der Bezirkspolizist Kendzierski steht, den es von Dortmund nach Nieder-Olm verschlagen hat. Da es im ersten Band wichtig war, dass der Polizist polnischer Abstammung ist, suchte Andreas Wagner einfach im Online-Telefonbuch von Frankfurt nach Namen, die auf „ski“ endeten, und entschied sich für Kendzierski. Später erfuhr er, dass es in ganz Deutschland nur fünf Personen dieses Namens gibt, und natürlich ist keiner von ihnen Vorbild für die Romanfigur.
Auch die Weine vier und fünf kamen als Paar zur Verkostung; diesmal ging es um den Einfluss des Bodens, denn beide Spätburgunder Spätlesen trocken waren von 2007, nur dass die Trauben innerhalb derselben Lage einmal auf Löss und einmal auf Mergel gewachsen waren. Der Wein vom Lössboden präsentierte sich zarter, mit mehr Fruchtaromen, der vom kalkhaltigen Mergel war mineralischer und weniger trinkreif, dafür aber interessanter in den Aromen. Der vierte war komplett in alten Barriquefässern ausgebaut worden, beim fünften waren auch ein paar neue Fässer zum Einsatz gekommen. Eine interessante Nebenbemerkung von Andreas Wagner war, dass der Wein vom Mergel bei Kammerprämierungen nie eine Chance hat, da er zum Zeitpunkt der Prämierung einfach noch nicht harmonisch genug ist und außerdem nicht die von einem Spätburgunder in Rheinhessen erwartete Charakteristik hat.
Als sechster Wein folgte eine 2007er Cuvée aus Cabernet Sauvignon und Merlot, wobei der Cabernet-Anteil bei über 80% lag. Der Wein war nach einer langen Maischegärung in offenen Tanks knapp zwei Jahre in alten Barrique-Fässern gelegen; neue Fässer würden mehr Gerbstoffe liefern, als der Cabernet nach Meinung der Wagners verträgt und machte auf die Weingilde großen Eindruck.
Zum Abschluss gab es einen „süßen Gruß“, eine Ortega-Trockenbeerenauslese von 2008. DieTrauben werden schon Ende August zum Großteil gelesen, um daraus Federweißen zu machen, und nur drei bis vier Trauben pro Stock bleiben hängen, um vielleicht später für edelsüße Weine genutzt zu werden. Hier darf der Vater, der wie viele ältere Winzer ein Problem damit, gesundes Traubengut einfach abzuschneiden und auf den Boden zu werfen, bei der ersten Lese helfen, denn anders als bei den grünen Lesen werden die Trauben hier ja verwendet. Den Most für edelsüße Weine vergären die Wagners immer im Rotweinkeller, und auf die Dauer der Gärung wird keinerlei Einfluss genommen. Damit ist es jedes Mal wieder spannend, welches Produkt am Ende herauskommt. Der verkostete Wein war jedenfalls einer, der in keinster Weise klebrig süß wirkte.
Natürlich ging während der Verkostung auch die Lesung weiter, und die Spannung bei den Zuhörern stieg merklich, auch weil Andreas Wagner wunderbar ausdrucksstark vorlesen kann, doch die Auflösung wurde ihnen vorenthalten, und so kauften am Schluss viele ein handsigniertes Exemplar des Buches.
Ganz zum Schluss beantwortete er noch die Frage eines Teilnehmers nach seiner Einschätzung des Jahrgangs 2009: ein genialer Jahrgang mit perfekter Vegetationslänge (100+x Tage wurden erreicht), keine Fäule, sie konnten ganz entspannt die Trauben nach der Reife lesen, mussten nie wegen des Wetters Zugeständnisse machen.
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