Im Juni kam mit Hanspeter Ziereisen ein Winzer zur Weingilde, der zeigte, dass auch Querköpfe in Wein-“Business“ äußerst erfolgreich sein können. Efringen-Kirchen – dort liegt das Ziereisen-Weingut – befindet sich im südbadischen Dreiländereck und hat seine Weinberge grenzüber-schreitend: 20 Hektar auf der deutschen und 6 Hektar auf der Schweizer Seite,wobei die Reben auf Höhen zwischen 260 und 500 Metern wachsen. Ziereisen Senior hatte seinem Sohn geraten, etwas „Richtiges“ zu lernen, und er entschied sich für die Möbelschreinerei. Doch dann lockte ihn die Weinherstellung, so dass er 1991 den elterlichen Betrieb übernahm, wobei er rasch merkte, dass er sein Ziel, charaktervolle Weine zu machen, in denen man die Botschaft des Bodens entdecken kann, nur erreichen konnte, wenn er sich von den weitgehend als allgemeingültig angesehenen Regeln entfernte.
Weil seine Weine den Prüfkriterien der amtlichen Qualitätsweinprüfung nicht entsprechen, verkauft er sie als Landweine, doch das ist bei diesem Winzer ein Qualitätsbegriff! Und inzwischen hat er Mitstreiter gefunden, die wie er Individualität wollen und keine von Vorschriften eingeschränkte Mainstream-Ware. Sie setzen auf den Charakter ihrer Weine – und damit auf ein Qualitätsverständnis abseits konventioneller Regeln. Weil diese Badischen Landweinwinzer ihre Produkte nicht auf etablierten Veranstaltungen anstellen dürfen, haben sie 2017 eine eigene Plattform zur Präsentation ihrer Weine geschaffen: den badischen Landweinmarkt.
Anhand von sieben Weinen, drei von 2016, zwei von 2015 und einer von 2013, erläuterte Ziereisen, was seine Weine besonders macht: Die Weine werden alle oxidativ spontanvergoren, wofür es einfach mehr Zeit braucht, reifen alle im Holzfass, und das in der Regel fast zwei Jahre, und kommen darum deutlich später auf den Markt als bei vielen anderen Winzern. Ziereisen erzählte, dass sie gerade anfängen, die ersten 2017er Weine zu verkaufen.
Als Rebsorten kamen Gutedel, Weißer Burgunder, Grauer Burgunder, Syrah und Spätburgunder ins Glas, wobei der Spätburgunder mit drei Weinen dominierte. Zur Kennzeichnung der höherwertigen Weine verwenden die Ziereisens Eigennamen (Musbrugger, Tschuppen, Schulen), weil seit dem Zusammenlegen von Weinlagen in den 1970er Jahren der Namen keine Auskunft mehr über den Boden gibt, denn unter einem Namen können ganz unterschiedliche Böden zusammengefasst sein. Überrascht haben die lachsfarbene Tönung des Grauen Burgunders, die auf die Maischestandzeit des Saftes zurückzuführen ist und nach Ziereisens Aussage auch noch kräftiger sein kann, und die Aussage, dass es fast fünf Jahre dauert, bis nach dem Ende der Verwendung von Reinzuchthefen keine solchen Hefen mehr im Keller aktiv sind und man damit von einer echten Spontanvergärung sprechen kann.
Für den Syrah-Anbau entschied man sich in den 1990er Jahren, als Spätburgunder nahezu unverkäuflich war. Der Syrah soll Weine liefern, die denen der nördlichen Rhone ähneln, sprich pfeffrig und würzig sind, was die Geschmacksknospen der Verkoster bestätigten. Doch dank der Renaissance des Spätburgunders können die Ziereisens sich nun auch mit Begeisterung dieser Königsklasse des Rotweins widmen, bei dem Deutschland inzwischen das drittgrößte Anbauland ist. Der erste verkostete kam von einer Junganlage und war in alten Barriquefässern (im Schnitt 20 Jahre alt) gereift, der zweite von der heißesten Lage des Betriebs – er präsentierte sich aber dennoch als der eleganteste Wein – und der dritte von Rebstöcken, die 1958 gepflanzt worden waren. Bei ihm wurden rund 30% ganze Trauben mitgepresst, und er lag in gebrauchten Barriquefässern. Ihn will Hanspeter Ziereisen rund fünf Jahre im Betrieb haben, bevor er ihn in den Verkauf gibt. Im konkreten Fall hieß das: 22 Monate Fass- und 30 Monate Flaschenreife. Dass so ein Wein beeindruckt, dürfte sich von selbst verstehen.
Mit viel mehr spannenden Informationen, als hier wiedergegeben werden können, endete nach sieben Genießerweinen ein ungewöhnlich anregender Abend.
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