Vom Hobby zum Ernst: Ahr-Weine überzeugten rundum (Dezember 2014)
Mit Alexander Stoddens Hobby begann das Dezembertreffen der Weinheimer Weingilde, denn bevor die Rotweine verkostet werden durften, die Stodden von seinem Weingut in Rech an der Ahr mitgebracht hatte, kamen erst weiße Weine ins Glas. Beim ersten handelte es sich um eine Blindprobe, und die Kennernasen vieler Gäste des Abends erkannten rasch, dass hier der Spätburgunder, DIE Rebsorte des Ahrtals, unter falscher Flagge fuhr: Es war nämlich ein zu 100% aus Spätburgunder bestehender Blanc den Noir von 2013; dieser wird aus dem Saftabzug gewonnen, der dazu dient, die Maische für die Rotweinerzeugung farbstoffreicher zu machen. Danach kamen aber zwei echte Weißweine, ein Riesling und eine Cuvée de Blanc von 2011, wobei sich hinter dem zweiten Wein auch ein Riesling verbarg. Warum dann diese unterschiedliche Benennung?
Alexander Stodden erzählte zunächst, dass die Rieslingstöcke alle von seinem Opa gesetzt wurden, der bereits 1976 gestorben ist, es sich also um wirklich alte Reben handelt, die vor allem deshalb noch nicht dem Spätburgunder Platz machen mussten, weil sie in nicht flurbereinigten Lagen stehen und dort die Arbeit in den Steilhängen besonders beschwerlich ist, so dass keiner so recht Lust hat, einen Weinberg, der eine edle Rebsorte in guter Qualität liefert, neu zu bestocken. Und er gab zu, dass der Riesling an der Ahr immer erst Zuwendung erfährt, wenn die Arbeit für den Spätburgunder erledigt ist. Er persönlich schätzt seinen Riesling sehr, vor allem weil die Ahr-Rieslinge viel säureärmer sind als die meisten anderen Rieslinge, was sie für ihn verträglich macht.
Nun war natürlich die Frage nach der weißen Cuvée noch nicht beantwortet. Beim Verkosten dieses Weines gewannen viele den Eindruck, er enthielte unter anderem Chardonnay, doch dieser Eindruck entsteht nur, weil dieser Wein zwölf Monate in kleinen Holzfässern ausgebaut wird und einen biologischen Säureabbau durchläuft. Sie begannen damit vor knapp zwanzig Jahren, weil ein damaliger Mitarbeiter seinen Vater so lange mit der Frage genervt hatte, warum man denn nicht auch einen Riesling ins Holzfass lege, bis sein Vater ihn das mit einer kleinen Menge Wein ausprobieren ließ. Das Ergebnis war laut Alexander Stodden furchtbar, aber sie probierten es im nächsten Jahr nochmals – mit einer wesentlichen Änderung: Sie ließen den Wein schon im Holzfass gären. Das Ergebnis überzeugte!
Den weiteren Abend durften sich die Gäste an vier unterschiedlichen Spätburgundern aus dem Haus Stodden erfreuen und erfuhren dabei unter anderem, dass Alexander Stodden bereits die fünfte Generation im Weinbau ist, dass sein inzwischen gerade mal sechsjähriger Sohn schon als Dreijähriger den Leuten bei der Lese auf die Finger geschaut hatte, damit bei der 100-prozentigen Handlese auch nur wirklich gesundes Lesegut geerntet wird, dass sich die 6,5 Hektar zu 90% im Steilhang befinden, dass der Rotweinanteil 95% und der Spätburgunderanteil 90% ist, dass Stodden jeden Rebstock 25-mal im Jahr „besucht“ und dass der eher skandinavisch klingende Familienname wohl auf die Herkunft einer ganzen Reihe von Stoddens im Ahrtal aus einem einzigen Dorf in England zurückzuführen ist. Heute jedenfalls haben alle Stoddens auf der Welt ihre Wurzeln im Ahrtal, gehen aber auf mehrere nicht verwandte Linien zurück.
Die Namen vieler Weine hatten eine Geschichte. So war der Vorgänger des Spätburgunder J die Cuvée Jean, der jedoch wegen eines sehr kalten Winters 2006 die Cuvée-Partner verloren gingen; also wurde keine Cuvée mehr erzeugt, sondern reiner Spätburgunder, der mindestens zwei Weihnachten im Fass erlebt haben muss, bevor er abgefüllt wird. Der Spätburgunder JS fing als Selektion JS in einer Zeit an, als man den Barrique-Ausbau auf der Flasche noch nicht angeben durfte und deshalb einen Kunstnamen für solche Weine brauchte. Heute ist der „JS“ eine Marke, vor allem in der Gastronomie, und darum wurde der Namen nur in Spätburgunder JS geändert. In guten Jahren werden Trauben aus der Lage Recher Herrenberg – die beste Lage des Weinguts mit einer optimalen Neigung nach Süden und „nachwachsenden“ Steinen als Wärmespeicher – zu großen Gewächsen verarbeitet, doch 2010 genügte hier den Ansprüchen von Alexander Stodden nicht. Darum war der letzte Wein des Abends ein abgestuftes Großes Gewächs, das dennoch einen phantastischen Eindruck hinterließ.
Mit großem Applaus und Freude über das Versprechen, einer erneuten Einladung wieder zu folgen, wurde Alexander Stodden nach Hause entlassen.
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