Heilbronner Weine entdeckt Weiß und Rot in schöner Ausgewogenheit (Dezember 2016)
Nicht nur Autobahnstaus sollte man mit dem Namen Heilbronn verbinden, sondern auch feine Weine. Das bewies Hans Hengerer vom VDP-Weingut Kistenmacher & Hengerer im Dezember bei der Weinheimer Weingilde. Beim ersten Wein, einem gelben Muskateller von 35 Jahre alten Reben, überraschte, dass es sich um einen trocken ausgebauten Wein handelte, kennen doch Weintrinker diese Rebsorte eher als lieblich. Hengerer erklärte, dass sie schon seit 20 Jahren den gelben Muskateller mit großem Erfolg so ausbauen, und er erzählte, dass sie seit rund vier Jahren Weißweine ohne den Einsatz von Reinzuchthefen erzeugen. Dies erfordert mehr Überwachung während der Gärung und längere Gärzeiten, doch die Weine sind sortentypischer und wirken meist länger frisch. Auch ihre malolaktische Gärung bei Weißweinen gehört in Deutschland nicht zum Standardprogramm.
Es folgten drei Rieslinge – die Haupt-Weißweinsorte des Betriebs –, wie alle ihre Weine zu 100% per Hand gelesen und ohne Schönungsmittel erzeugt. Der Zusatz „V“ beim zweiten Riesling steht als römische Ziffer für das Lebensjahrzehnt des Weinbergs; damit ersetzte das Weingut die Angabe „alte Reben“, weil dieser Begriff inzwischen inflationär verwendet werde und keinerlei Festlegung existiere, wann er berechtigt ist. Auf Erstaunen stieß auch die Aussage, dass sie beim Ausbau ihrer Weißweine im Holzfass zum Teil französische Fässer einsetzen, in denen früher Rotwein ausgebaut worden war.
Nun wechselte die Weinfarbe, denn das Weingut erzeugt zu 60% Rotweine. Als Erstes kam DIE schwäbische Rebsorte ins Glas – ein Trollinger, dessen ungewöhnlich ausgeprägten Rotweincharakter Hengerer mit den alten Weinbergen in den besten Lagen und einer Ertragsreduzierung erklärte. Außerdem „gestand“ er, dass der Wein wie beim Trollinger üblich chaptalisiert wurde, um einen ausreichenden Zuckergehalt für die Gärung sicherzustellen, und erzählte, dass die von ihm angestoßene Rückkehr zu maischevergorenen Rotweinen bei seinem Vater auf völlige Ablehnung gestoßen sei, doch inzwischen habe er sich damit arrangiert.
Zum anschließenden Lemberger gab es etwas Weinkunde: Er entspricht dem österreichischen Blaufränkisch und kam über Österreich nach Württemberg, doch später wurden Württemberger Klone wieder nach Österreich reimportiert, weil sie robuster waren. Der verkostete Wein hatte 24 Monate in alten 500-Liter-Fässern gelagert und überzeugte auf ganzer Linie. Nun kamen noch zwei Spätburgunder – der eine mit dem Zusatz „S“ war ein Samtrot, der andere lief unter dem Etikett „Junges Schwaben“. Zum Samtrot erfuhren die Weinfreunde, dass es sich um einen Klon des Schwarzrieslings handle, der sortenrechtlich als ein Klon des Blauen Spätburgunders eingestuft ist, und zur Winzergruppe Junges Schwaben hieß es, sie bestehe seit 2002 und sei ein Zusammenschluss von fünf Winzern, die mit ihren Weinen als beste Botschafter Württembergs auftreten wollen.
Ganz zum Schluss hatte Hans Hengerer noch eine Überraschung dabei: eine liebliche Riesling Auslese von 2014, die aus einem Saft mit 100° Oechsle erzeugt worden war. Dass solche Zahlen relativ sind und das Weinjahr einen enormen Einfluss hat, wurde klar, als Hengerer anmerkte, dass im Jahr 2015 ihr Riesling-Literwein so viele Oechsle gehabt hat.
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